Einsatz in Tunesien

VIDES-Volontärin Lena berichtet aus Menzel-Bourguiba

Seit Oktober ist VIDES-Volontärin Lena in Tunesien. Bald wird ihr Einsatz bei den Don Bosco Schwestern vorbei sein. Der Gedanke daran stimmt sie traurig.

Die Schwestern empfingen mich mit offenen Armen und versuchten, mir von Anfang an das Gefühl zu geben, ein Teil der Gemeinschaft zu sein. Heute fühlt es sich wie eine Familie an.

Meine ersten Schultage waren sehr anstrengend, auch weil ich sprachliche Probleme hatte. Die Amtssprachen sind Französisch und Arabisch, tatsächlich sprachen die Kinder aber nur Tunesisch. Ich konnte also kaum mit den Kindern reden. Das sprachliche Problem löst sich aber immer mehr. Ich habe jede Woche Tunesischunterricht und bekomme sehr viel Hilfe von den Kindern und meinen Freunden. Am Anfang ist es außerdem eine große Motivation, wenn du für jedes Wort, dass du sprichst, ein Dutzend Umarmungen bekommst.

Ich hatte und habe verschiedene Verantwortungen in der Schule, zum Beispiel unterstütze ich den Französischunterricht in Klassen mit großen Schwierigkeiten oder leite Französischklubs für Vorschulkinder und für Größere.

„Der Großteil meiner Aufgaben war es tatsächlich nur, mit den Kindern zu spielen.“

Am Samstag-Nachmittag findet das Oratorium statt, wo wir nach dem Vorbild Don Boscos mit den Kindern aus der Stadt spielen und tanzen. Zum Oratorium bekommen wir Hilfe von Jugendlichen, mit denen ich mich schnell angefreundet habe. Sie haben mir sehr viel von den Orten hier gezeigt, und mit ihnen konnte ich sehr ehrliche Gespräche führen.

Mein bester Freund hier hat mir sehr viel geholfen: Er hat mir so viele sprachliche und kulturelle Fragen beantwortet und, wenn es mir schlecht ging, konnte ich mich immer an ihn wenden.

Ausflug in die Sahara

Zu Weihnachten haben wir eine einwöchige Rundreise in den Süden Tunesiens gemacht. Dabei haben wir eine Nacht in der Sahara verbracht und sind auf Dromedaren geritten. An einzelnen freien Tagen machen wir halbtägige Ausflüge an den Strand, der mit dem Auto in einer halben Stunde erreichbar ist. An Wochenenden bin ich manchmal in die Hauptstadt gefahren.

Das Leben wird hier nie langweilig. Nicht nur dass die Kinder einem keine Zeit dafür lassen, sondern auch dass beinahe jede Woche ein Fest gefeiert wird. Da ich in einer atheistischen Familie aufgewachsen bin, waren nicht nur die salesianischen Feiertage, sondern auch die Art und Weise, katholische Feste zu feiern, neu für mich. Außerdem besteht meine Gemeinschaft aus zwei italienischen, einer französischen und einer indischen Schwester, mit ganz verschiedenen Traditionen.

Wie war das noch gleich mit Don Bosco?

Das Fest zu Don Bosco feierten wir in der Schule, wobei wir religiöse Erklärungen vermieden haben. Die muslimischen Kinder sind nicht vertraut mit katholisch-religiösen Begriffen wie etwa „Schwester“ oder „Vater“. Am Ende des Tages hatten sie es so verstanden, dass Don Bosco der Vater der vier Schwestern ist, die hier in der Schule arbeiten. Er sei im Garten begraben und habe an diesem Tag (31. Januar) seinen Geburtstag gehabt.

Benti und ochti

Die Menschen hier sind offen und freundlich. Nachdem man zwei Sätze mit jemandem gewechselt hat, wird man schon „benti“ (meine Tochter) oder „ochti“ (meine Schwester) genannt. Zu Beginn hat mich diese Art überrumpelt, aber jetzt finde ich es sehr schön. Die Wärme kommt nicht nur von der Sonne, sondern auch aus den Menschen. Wenn ich eine tunesische Familie besuche, bin ich sofort ein Teil davon. Der einzige Nachteil: man muss dann auch beim Abwasch mithelfen.

Unmut gegenüber Migrannt:innen ist sehr groß

Den Rassismus gegenüber dunkelhäutigen Menschen empfinde ich als ziemlich stark in diesem nordafrikanischen Land. Tunesien ist ein Zwischenstopp für Menschen aus dem Süden Afrikas auf ihrem Weg nach Europa. Die Menschen hier betonen den Unterschied von ihrem Land zu den subsaharischen Ländern. Immer öfter werden Migrant:innen von Friseursalons oder Restaurants ausgegrenzt und auf offener Straße beschimpft.

Gleichberechtigung nur theoretisch

In der Theorie sind Frauen gleichberechtigt mit Männern, in der Praxis sind von den über 100 Kaffees in meinem Ort drei „gemischt“, also auch offen für Frauen. In den Familien, bei denen ich zu Besuch war, wird die Hausarbeit großteils nur von Frauen erledigt.

Viele junge Menschen träumen von einem Leben in Europa oder Kanada. Sie haben die Hoffnung aufgegeben, die politischen Verhältnisse hier ändern zu können. Die Wahlbeteiligung ist dementsprechend sehr gering. Ältere Menschen wünschen sich die Diktatur zurück, die durch die Revolution 2011 ein Ende fand.

Wachsen oder dehnen?

Ein bisschen traurig bin ich schon, dass mein Einsatz jetzt bald vorbei ist. Ich denke, dass ich mich verändert habe. Manchmal habe ich überlegt, ob ich diese Entwicklung eher mit wachsen oder dehnen vergleichen würde. Wenn man etwas zu sehr dehnt, kann man sich was zerren dabei. Wachsen ist eher etwas Ruhiges, was einfach so geschieht.

(VIDES-Volontärin Lena aus Tunesien)

www.vides-freiwilligendienst.net

 

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